Diagnostik – Nuklearmedizinische Bildgebung
Neuroendokrinen Tumoren gemeinsam sind bestimmte biochemische Eigenschaften, die die Basis für den Einsatz spezifischer Radioliganden primär für die nuklearmedizinische Bildgebung aber auch für eine nuklearmedizinische Therapie bilden.
Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung
Die Entwicklung radioaktiv markierter Somatostatin-Rezeptor-Liganden vor mehr als 30 Jahren bedeutete eine Revolution in der Diagnostik von NET, da ein Großteil – v.a. der gut differenzierten NET – Somatostatin-Rezeptoren (SSTR) trägt und diese damit szintigraphisch in vivo nachgewiesen werden konnten.
Das erste kommerziell erhältliche, mit 111 Indium markierte Somatostatinanalogon [111 In]DTPA-Octreotide (OctreoScan®) hat sich in der Folge etabliert. Die ersten verfügbaren Studien wiesen – insbesondere für gut differenzierte Tumoren – Sensitivitäten von um die 90% nach.
Neuere Studien können die hohen Sensitivitäten für die herkömmliche Szintigraphie (insbesondere im Vergleich zur PET Diagnostik) aufgrund der schlechten Auflösung und Bildqualität aber nicht bestätigen.
Falsch negative Befunde (Abb1) entstehen v.a. bei kleinen Tumoren (aufgrund der geringen Bildauflösung) und in Organen mit physiologisch hohem Uptake (z.B. Leber).
Auch muss die konventionelle Szintigraphie aufgrund der fehlenden anatomischen Information meist mit Schnittbildverfahren wie CT oder MRT ergänzt werden.
Abb. 1: Intraindividueller Vergleich von Szintigraphie (Octreoscan) und SSTR PET (mit dem SSTR Liganden 68Ga-DOTATATE bei zwei Patienten mit metastasiertem NET mit deutlich bessere Auflösung der PET, was bei dem Patienten links eine Änderung des Stagings von einer unauffälligen Szintigraphie hin zum metastasierten Befund (Pfeile: Leber – und LK Filiae) in der PET führt.
In den letzten Jahren hat sich die Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung durch die Entwicklung hochaffiner SSTR-Liganden für die Bildgebung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) deutlich verbessert und ist derzeit aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Geräte und des sehr hohen Tumorkontrastes das sensitivste bildgebende Verfahren zum Nachweis der Somatostatin-Rezeptor-Expression neuroendokriner Tumoren.
Die Anreicherung des Radiopharmakons im Tumor korreliert mit der immunhistochemischen Expression von Somatostatin-Rezeptoren, weshalb die PET als einzig nicht invasive Methode zur quantitativen Beurteilung des SSTR Besatzes eines NET gilt.
Durch die hohe Sensitivität der SSTR PET werden beim Staging von NET in deutlich höherem Prozentsatz als in der konventionellen Bildgebung Lymphknotenfiliae und ossäre Filiae detektiert, was nach neueren Literaturdaten das therapeutische Management bei etwa 40-60% der Patienten beeinflusst. Inwieweit das auf Basis der sensitiveren Bildgebung geänderte therapeutische Vorgehen die Prognose der Patienten ändert muss in zukünftigen Studien gezeigt werden.
Die Somatostatin-Rezeptor-Bildgebung bietet zudem die Möglichkeit einer Selektion von Patienten, die für eine SSTR-gerichtete Therapie mit ‚kalten‘ oder ‚heißen‘ (= mit einem therapeutisch wirksamen radioaktiven Strahler versehenen) SSTR-Liganden behandelt werden können.
[123I]MIBG Szintigraphie
Tumoren des sympathochromaffinen Gewebes sind zur Aufnahme und Speicherung von Katecholaminen befähigt und lassen sich mit dem Radiojod-markierte Noradrenalinanalogon Metajodobenzylguanidin (MIBG) adressieren. Für diagnostische Zwecke wird MIBG in der Regel mit 123Iod markiert, auch ein therapeutischer Einsatz nach Markierung mit 131Iod ist möglich.
Die wichtigsten Indikationen für die MIBG Szintigraphie stellten bisher der Verdacht auf das Vorliegen eines Phäochromozytoms und die Charakterisierung zufällig entdeckter Nebennierentumoren oder extraadrenal entlang des sympathischen Grenzstranges gelegener Tumoren (Paragangliome) dar. Ebenfalls etabliert hat sich die MIBG Szintigraphie für die Darstellung von primären und metastatischen Herden von Neuroblastomen.
Ähnlich der SSTR Bildgebung für die Radiopeptidtherapie ist die [123I]MIBG Szintigraphie für die Indikationsstellung zur [131I]MIBG Therapie, die gelegentlich ihren Einsatz in der Therapie metastasierter Phäochromozytome, Paragangliome und Neuroblastome findet, und deren Verlaufskontrolle obligatorisch.
FDG PET
Als eher unspezifisches Radiopharmakon für die PET kann bei schlecht differenzierten NET auch die [ 18 F]Fluordeoxyglukose (FDG) als Marker für den Zuckerstoffwechsel eines Tumors zum Einsatz kommen.
Die FDG PET findet seit langem breite Anwendung in der Onkologie im Tumorstaging, im Rezidivnachweis bzw. in der Therapiekontrolle und zeichnet sich durch eine hohe Sensitivität bei sehr vielen Tumorentitäten aus. In der Diagnostik von gut differenzierten NET (G1 und G2) besaß die FDG PET bisher aufgrund des langsamen Tumorwachstums und der niedrigen Stoffwechselaktivität bisher kaum einen Stellenwert und wurde daher vorwiegend bei schlecht differenzierten NEC (G3) mit hoher Proliferationsaktivität eingesetzt, die häufig keinen SSTR Besatz zeigen (Abb2)
Jüngere Studien deuten aber auch bei besser differenzierten Tumoren auf eine prädiktive Bedeutung der FDG PET hinsichtlich Prognose und Therapieansprechen (z.B. bei PRRT) hin, weshalb diese Methode zunehmend auch bei G2 Tumoren eingesetzt wird, um Patienten mit (partiell) FDG positiven Läsionen herauszufiltern und diese ggf. einer intensivierten Therapie oder zumindest engeren Überwachung zuzuführen.
G. Pöpperl (Stuttgart), 2015