Therapien – Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Behandlung von Patienten mit Neuroendokrinen Neoplasien kann zwei Ziele verfolgen: Die symptomatische Behandlung von Patienten mit Hypersekretionssyndromen (Linderung der hormonbedingten Symptomatik) und die Wachstumskontrolle der Tumorerkrankung.

Die medikamentösen Therapieoptionen werden in drei Gruppen zusammengefasst:

Biotherapie

Symptomatische Therapie bei funktionell aktiven Tumoren

Je nach hormonellem Krankheitsbild können zur Hemmung der Hormonsekretion oder zur Linderung der dadurch verursachten Folgen unterschiedliche Medikamente eingesetzt werden.
Die größte Bedeutung kommt dabei den Somatostatinanaloga zu. Die Mehrzahl der Neuroendokrinen Tumorzellen zeigt an ihrer Oberfläche Rezeptoren für das Hormon Somatostatin, welches nach der Bindung an diese spezifischen Rezeptoren zu einer Hemmung der Hormonsekretion führt (s.a. nuklearmedizinische Diagnostik und Therapie).
Da das natürliche Somatostatin aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit (Abbau nach wenigen Minuten) nicht zu einer längerfristigen Therapie geeignet ist, wurden synthetische Somatostatinanaloga (SSA) entwickelt, die eine längere Halbwertszeit aufweisen.

Ende der 80iger Jahre wurde Octreotid zugelassen, welches bei 2-3-maliger subkutaner Gabe täglich bei den meisten Patienten eine deutliche Besserung der Beschwerden insbesondere beim Karzinoid-Syndrom bewirkte. Mittlerweile stehen von den zugelassenen Somatostatinanaloga Depotpräparate zur Verfügung, die nur alle 4 Wochen appliziert werden müssen (Octreotid LAR intramuskulär, Lanreotid-Autogel tief subkutan).

Mit diesen Somatostatinanaloga können die meisten Hormon-bedingten Beschwerden, die durch Neuroendokrine Tumoren verursacht werden, wie z. B. das Karzinoid-Syndrom, das Glukagonom-Syndrom oder das VIPom/ Werner-Morrison-Syndrom, zuverlässig kontrolliert werden.

Beim Gastrinom / Zollinger-Ellison-Syndrom, das mit Magensäuehypersekretion einhergeht, stellen die Protonenpumpeninhibitoren die wichtigste symptomatische Medikation dar.

Die meisten Insulinome sind benigne und bedürfen nur bis zur kurativen Chirurgie einer symptomatischen Behandlung.
Bei den seltenen malignen/ metastasierten Insulinomen können neben der Glukosegabe und den Somatostatinanaloga (unter stationären Bedingungen, da es auch zu verstärkter Hypoglykämie kommen kann) Diazoxid und Everolimus symptomatisch zur Kontrolle der Hypoglykämien eingesetzt werden.

Auch α-Interferon ist in der Behandlung des Karzinoid-Syndromes wirksam und in dieser Indikation zugelassen, weist aber ein deutlich ungünstigeres Nebenwirkungsspektrum auf (s.u.), so dass es bei unter SSA ungenügend kontrolliertem Karzinoid-Syndrom additiv eingesetzt werden kann, in der Erstlinientherapie aber keine Rolle spielt.

Derzeit befindet sich Telotristat Etiprate, ein oral verfügbarer Serotoninsynthese-Hemmer, in klinischer Erprobung bei Patienten, die trotz SSA-Therapie an Symptomen des Karzinoid-Syndromes leiden. Hier bleiben die Studienergebnisse abzuwarten.

Grundsätzlich führen darüber hinaus natürlich Therapiemaßnahmen, die zu einer Abnahme der Tumorlast führen wie z.B. chirurgisches Debulking, leberspezifische Interventionen oder Ansprechen auf eine Chemotherapie auch zu einer Verbesserung des tumorbedingten Hypersekretionssyndromes.

Somatostatinanaloga in antiproliferativer Intention

Aus in vitro-Versuchen und ersten klinischen Erfahrungen wurde bereits mit   der Markteinführung von Octreotid Ende der   80er Jahre eine wachstumshemmende Wirkung der Somatostatinanaloga (SSA) vermutet.

Aber erst 2009 wurde eine Placebo-kontrollierte, prospektive, Studie bei metastasierten gut-differenzierten neuroendokrinen Tumoren des Mitteldarms (überwiegend Dünndarm) veröffentlicht (PROMID-Studie). Sie belegt, dass die Gabe von Octreotid LAR 30 mg alle 4 Wochen im Vergleich zu Placebo zu einer Hemmung des Tumorwachstums führt. In diesem Jahr wurden die Ergebnisse der CLARINET-Studie veröffentlicht. In dieser Studie wurden 204 Patienten, die an einem gut-differenzierten (Proliferationsmarker Ki67 bis max. 10%)   hormoninaktiven gastrointestinalen NET der Bauchspeicheldrüse oder des Darmes erkrankt waren, über 2 Jahre verfolgt.

Ähnlich wie in der PROMID-Studie konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit dem SSA Lanreotid 120 mg alle 4 Wochen das Tumorwachstum hemmt. In beiden Placebo-kontrollierten Studien zeigte sich die wachstumshemmende Wirkung als eine Verzögerung des Auftretens einer Tumorprogression, hingegen führte die Behandlung mit den SSA nicht zu einer morphologischen Remission nach radiologischen Kriterien.

Eine mögliche prognostische Bedeutung des Einsatzes von Somatostatinanaloga in der Behandlung von Patienten mit Neuroendokrinen Tumoren ergibt sich aus   großen epidemiologischen Studien, die gezeigt haben, dass sich das Überleben von Patienten mit metastasierter Erkrankung seit Verfügbarkeit der SSA verbessert hat.

Nebenwirkungen der Somatostatinanaloga

In der Regel ist die Behandlung sehr gut verträglich. Häufige Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschweren wie Übelkeit, Blähneigung, weicherer und hellerer Stuhl, vermehrter Stuhldrang. Selten kommt es zu einer relevanten Diarrhoe oder Steatorrhoe, die oft mit Gabe von Pankreasenzymen gelindert werden kann. Häufig sind auch Reaktionen an den Injektionsstellen, die regelmäßig gewechselt werden sollten. Bei längerer Behandlung ist das Risiko, Gallensteine zu entwickeln, erhöht. Damit assoziiert kann es selten zu Gallenkoliken, akuter Cholezystitis oder biliärer Pankreatitis kommen.

Selten treten Transaminasen- oder Bilirubinanstieg, vermehrter Haarausfall, diabetische Stoffwechsellage aber auch   Hypoglykämie oder eine Schilddrüsenunterfunktion auf. Mit entsprechenden symptomatischen Maßnahmen sind nebenwirkungsbedingte Therapieabbrüche sehr selten.

α-Interferon in antiproliferativer Intention

In mehreren Studien konnte ein wachstumshemmender Effekt von α-Interferon bei pankreatischen und intestinalen NET gezeigt werden. Remissionen wurden in 5-15% beschrieben, darüber hinaus eine hohe Rate an Stabilisierung.

Zwei randomisierte Studien haben die Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung aus SSA und α-Interferon mit der Monotherapie verglichen. Eine Überlegenheit der primären Kombinationsbehandlung konnte nicht nachgewiesen werden, so dass sich in der Erstlinie die alleinige Gabe von SSA empfiehlt.

Die meisten Daten liegen zur 3x wöchentlichen subkutanen α-Interferon-Behandlung vor, pegyliertes Interferon wird etwas besser toleriert, die Datenlage hierzu ist aber sehr begrenzt.

Nebenwirkungen des α-Interferon

Interferon ist deutlich nebenwirkungsreicher als die SSA. Zu Beginn der Therapie treten häufig grippeähnliche Symptome auf. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Blutbildveränderungen, Abgeschlagenheit, Appetitmangel, Gewichtsverlust, Haarausfall, Schilddrüsenfunktionsstörungen und Hautveränderungen. Besonderer Beachtung bedürfen auch die psychiatrischen Nebenwirkungen, insbesondere Depressionen.

A. Rinke (Marburg), 2015

Chemotherapie

Ein weitere Therapieoption neuroendokriner Neoplasien (NEN) stellt die Chemotherapie dar. Sie wird vor allem in der palliativen Situation angewendet, wobei Kombinationstherapien häufiger eingesetzt werden als Monotherapien. Für die adjuvante Anwendung einer Chemotherapie gibt es bislang nur wenige Daten, so dass hierfür keine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Als Einzelfallentscheidung im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards erscheint diese Möglichkeit aber dennoch gegeben.

Da innerhalb der unterschiedlichen Primärtumorlokalisationen und histopathologischen Differenzierungsgrade unterschiedliche Ansprechraten auf eine zytostatische Therapie nachgewiesen werden konnten, variiert der Einsatz der Chemotherapie in Abhängigkeit von diesen Faktoren. Im Folgenden sollen die häufigsten Anwendungsgebiete kurz vorgestellt werden.

Schlecht differenzierte neuroendokrine Karzinome (NEC-G3)

Hauptindikation für eine Chemotherapie stellen alle schlecht differenzierten neuroendokrine Karzinome (NEC-G3) unabhängig von ihrer Primärtumorlokalisation dar.

In den aktuellen Leitlinien der europäischen und nordamerikanischen Gesellschaft für neuroendokrine Tumore (ENETS, NANETS) wird eine Kombinationstherapie aus Cisplatin und Etoposid als Erstlinientherapie empfohlen. Cisplatin kann insbesondere zur Reduktion der Nephrotoxizität auch durch Carboplatin ersetzt werden kann, wobei vergleichbare Ansprechraten zu erwarten sind, wie eine aktuelle retrospektive Studie aus Skandinavien zeigen konnte.

Eine evidenzbasierte Zweitlinientherapie gibt es bislang nicht. Häufig eingesetzte Therapieschemata sind analog zu den gastrointestinalen Adenokarzinomen Kombinationschemotherapien aus 5-FU und Oxaliplatin oder Irinotecan (FOLFOX bzw. FOLFIRI).

Auch der Austausch von 5-FU durch das orale Capecitabine ist in einigen Studien untersucht und scheint eine vergleichbare Wirksamkeit zu haben (CAPOX). Kürzlich konnte außerdem die Wirkung von Temozolomid und Capecitabine bei NEC-G3 nachgewiesen werden, wobei vor allem Karzinome mit einer Wachstumsfraktion (Ki-67-Index) < 60%, positiver Immunhistochemie für Chromogranin A sowie positiver Somatostatinrezeptorszintigraphie (SRS) ansprachen. Als Monotherapeutikum kommt in der Zweitlinie das aus der Behandlung von kleinzelligen Bronchialkarzinomen bekannte Topotecan zum Einsatz. Insgesamt fehlt es aber an komparativen Studien, so dass eine evidenzbasierte Empfehlung für eine Zweitlinientherapie nicht möglich ist. Für die kürzlich in der WHO-Klassifikation 2010 eingeführte Entität der gemischt adenoneuroendokrinen Karzinome (mixed adenoneuroendocrine carcinoma, MANEC) gibt es bislang keine eigenen Studien. Aufgrund der ebenfalls vorliegenden Adenokarzinomkomponente scheint jedoch eine Chemotherapie analog zu den NEC-G3 sinnvoll.

NET-G1/G2 des Pankreas

Neben den NEC-G3 wird eine zytostatische Therapie auch bei gut differenzierten neuroendokrinen Tumoren (NET-G1/G2) des Pankreas eingesetzt. Hier hat sich Streptozotocin in Kombination mit Doxorubicin oder mit 5-FU bewährt. Die Ansprechraten in der Literatur werden mit 6-69% angegeben, in neueren Studien mit Auswertung des Ansprechens nach vergleichbaren radiologischen Kriterien um 35%.

Darüber hinaus konnte für die Kombination aus Temozolomid und Capecitabine eine gute Wirksamkeit (Ansprechrate 70%) nachgewiesen werden.

Diese Ergebnisse stammen jedoch aus einer retrospektiven Studie und müssen erst noch in prospektiven Studien bestätigt werden. Ferner gibt es weitere sowohl prospektive als auch retrospektive Studien mit Temozolomid als Monotherapeutikum oder in Kombination mit anderen Therapeutika (z. B. Thalidomid, Bevacizumab, Everolimus) die ebenfalls z. T. vergleichbare Ansprechraten aufwiesen (12-45%).

Außerdem konnte auch für Kombinationen mit Dacarbazin, welches wie Temozolomid zu der Gruppe der Alkylanzien gehört, in einigen z. T. älteren Studien eine Wirksamkeit nachgewiesen werden. Weitere Alternativen bieten Oxaliplatin-haltige (FOLFOX, CAPOX) oder Irinotecan-haltige (FOLFIRI) Therapieregime.

Dank der neuen für pankreatische NET zugelassenen zielgerichteten Therapien stehen jedoch nun zusätzliche therapeutische Optionen zur Verfügung deren Stellenwert innerhalb der Therapielinien im Vergleich zur Chemotherapie insbesondere vor dem Hintergrund des z. T. langen Krankheitsverlaufes neuroendokriner Tumore (NET-G1/G2) und des daraus resultierenden Einsatzes mehrerer Therapieformen noch bestimmt werden muss.

NET-G1/G2 des Dünndarms

Bei den Dünndarm-NET-G1/G2 kommt eine zytostatische Therapie nur selten zum Einsatz, da die Ansprechraten insgesamt gering sind. In der Literatur sind bislang Ergebnisse unterschiedlicher Kombinationschemotherapien (Streptozotcin/Doxorubicin + 5-FU, Temozolomid-basierte Chemotherapien) publiziert worden. Insgesamt wird eine Chemotherapie nur selten bei rasch progredienten Tumoren nach dem Ausschöpfen anderer therapeutischer Optionen (Somatostatinanaloga, PRRT) empfohlen.

NET-G1/G2 des Gastrointestinaltraktes (ohne Dünndarm u. Pankreas)

Auch bei den neuroendokrinen Tumoren (G1/G2) anderer Lokalisationen des Gastrointestinaltraktes kommt eine Chemotherapie nur selten zur Anwendung. Insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium werden jedoch auch hier bereits o.g. Therapieschemata eingesetzt.

Nebenwirkungen

Die Art und Häufigkeit des Auftretens von Nebenwirkungen variiert in Abhängigkeit von den eingesetzten Medikamenten. Allgemeine Nebenwirkungen zytostatischer Therapien sind gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, aber auch Diarrhoen oder Obstipation.
Zur Therapie der Chemotherapie-assoziierten Übelkeit stehen jedoch mittlerweile potente Antiemetika zur Verfügung, so dass diese Beschwerden gut behandelbar sind.
Darüber hinaus kommt es bedingt durch die antiproliferative Wirkung der Zytostatika zu einer Knochenmarksdepression, in deren Folge eine Anämie, Thrombopenie und Neutropenie auftreten kann.
Insbesondere während der Neutropenie besteht eine reduzierte Infektabwehr. In dieser Phase auftretende Infektzeichen, wie Fieber oder Schüttelfrost, sind wichtige Warnsignale des Körpers und sollte zur sofortigen ärztlichen Vorstellung führen. Zusätzlich kann es zu einer Entzündung der Schleimhäute in Mund und Rachen (Mukositis) kommen, wodurch die Nahrungsaufnahme teilweise eingeschränkt ist.

Unter dem Einsatz Platin-haltiger Chemotherapie (v. a. Oxaliplatin, aber auch Cisplatin) kann es ferner zu einer Schädigung von Nervenfasern mit Entwicklung von Kribbelparästhesien im Sinne einer Polyneuropathie kommen. Cisplatin und in seltenen Fällen auch Oxaliplatin führen außerdem zum Haarausfall.

Darüber hinaus sind Cisplatin und Streptozotocin nephrotoxisch, so dass unter ihrer Anwendung die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden sollte. Unter 5-FU hingegen kann als spezifische Nebenwirkung ein so genanntes Hand-Fuß-Syndroms entstehen, welches einer schmerzhaften Schwellung und Rötung der Handflächen und Fußsohlen entspricht. Ein aktives Nebenwirkungsmanagement in jedem   individuellen Fall verbessert die Verträglichkeit der Chemotherapien erheblich.

S. Maasberg (Berlin), 2015

Molekular zielgerichtete Therapie

Verschiedene Wachstumsfaktoren und Angiogenesefaktoren sowie intrazelluläre Signalwege   spielen eine wichtige Rolle in der Tumorbiologie von verschiedenen Malignomen einschließlich der neuroendokrinen Tumoren (NET). Das Konzept der molekular zielgerichteten Therapie in der Onkologie verfolgt den Ansatz, diese für das Tumorwachstum wichtigen Wachstumsfaktoren und Angiogenesefaktoren sowie intrazellulären Signalwege gezielt medikamentös auszuschalten und so das Tumorwachstum zu verhindern.

Der Einsatz von molekular zielgerichteten   Therapieansätzen für neuroendokrine Tumoren sollte entsprechend ihrem jeweiligen Zulassungsstatus bzw. in Anlehnung an die aktuellen Leitlinienempfehlungen
der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS, http://www.enets.org),
der European Society of Medical Oncology (ESMO, http://www.esmo.org),
der North American Neuroendocrine Tumor Society (NANETS, http://nanets.net) und
des National Comprehensive Cancer Network (NCCN, http://www.nccn.org) erfolgen.

Darüber hinaus ist der Einsatz von molekular zielgerichteten   Therapieansätzen in klinischen Studien sinnvoll.

Everolimus (Afinitor®) und Sunitinib (Sutent®)

Der m-TOR Inhibitor Everolimus (Afinitor®) und der Multityrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) sind jeweils für die Therapie von inoperablen, progredienten NET des Pankreas zugelassen. Rationale:

  • In der entsprechenden Zulassungsstudie (Phase 3 Studie) bei 410 Patienten mit progredienten NET des Pankreas führte Everolimus 10mg/Tag p.o. versus Placebo zu einer signifikanten Verlängerung des medianen Progressionsfreien Überleben (PFS) von 11,0 versus 4,6 Monaten (HR 0,27 – 0,45; p> 0,001).
  • In der entsprechenden Zulassungsstudie (Phase 3 Studie) bei 171 Patienten mit progredienten NET des Pankreas führte Sunitinib 37,5mg/Tag p.o. versus Placebo zu einer signifikanten Verlängerung des medianen Progressionsfreien Überleben (PFS) von 11,4 versus 5,5 Monaten (HR 0,26 – 0,65; p> 0,001).

Die molekular zielgerichtete Therapie zeigte in den Zulassungsstudien eine signifikante Hemmung des Tumorwachstums und stellt somit eine wertvolle zusätzliche Therapieoption dar. Die zur molekular zielgerichteten Therapie eingesetzten Medikamente weisen jedoch spezifische Kontraindikationen und Nebenwirkungen auf (siehe unten). Die Indikationsstellung, Therapiedurchführung und –überwachung muss durch einen onkologisch erfahrenen Arzt erfolgen.

Evidenzbasierte Studien zur optimalen Therapiesequenz bei inoperablen neuroendokrinen Tumoren des Pankreas fehlen derzeit noch und eine Evidenz-basierte Empfehlung zum optimalen Therapiealgorithmus kann derzeit nicht gegeben werden. Die ENETS Leitlinie 2012 empfiehlt den Einsatz der molekular zielgerichteten Substanzen bei Patienten mit neuroendokrinen Tumoren des Pankreas nicht in der Erstlinientherapie (Ausnahme: das sehr seltene maligne Insulinom).

Eine klinische Phase 3 Studie welche den Stellenwert von Everolimus   im Vgl. zur Standard-Chemotherapie bei neuroendokrinen Tumoren des Pankreas   untersucht ist die internationale multizentrische SEQTOR-Studie (https://www.clinicaltrialsregister.eu – EudraCT Number 2013-000726-66).

Der m-TOR Inhibitor Everolimus (Afinitor®) wird in verschiedenen Leitlinien internationaler Fachgesellschaften über seinen aktuellen Zulassungsstatus (Stand 11/2014) hinaus auch als eine mögliche Therapieoption im sogenannten off-label use (individuellen Heilversuch) bei neuroendokrinen Tumoren des Gastrointestinaltrakts und bronchopulmonalen Karzinoiden genannt.
Rationale:

  • In einer   Phase 3 Studie bei 429 Patienten mit progredienten NET mit Karzinoidsyndrom führte Everolimus 10mg/Tag p.o. plus Octreotid LAR versus Placebo plus Octreotid LAR zu einer klinisch relevant erscheinenden, jedoch nicht signifikanten Verlängerung des medianen Progressionsfreien Überleben (PFS) auf 16,4 versus 11,3 Monate (HR 0,77; p=0,026; 95% CI 0,59 – 1,00). Diese Studienergebnisse führten nicht zu einer erweiterten Zulassung für Everolimus für extrapankreatische neuroendokrine Tumoren, erscheinen jedoch insgesamt dennoch vielversprechend.
  • Die Ergebnisse einer weiteren Phase 3 Studie mit Everolimus bei neuroendokrinen Tumoren extrapankreatischen Ursprungs des Gastrointestinaltrakts und der Lunge (Radiant-4 Studie (http://clinicaltrials.gov/ – NCT01524783) werden für 2015 erwartet.

Nebenwirkungen

Bei Einnahme der molekular zielgerichteten Medikamente muss mit dem Auftreten von Nebenwirkungen gerechnet werden, die überwiegend jedoch leichtgradig und mit prophylaktischen unterstützenden Maßnahmen sowie gezielter Therapie beherrschbar sind. Regelmäßige Laborkontrollen sind erforderlich.
Bei etwa 15% der behandelten Patienten in den Zulassungsstudien wurde die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen beendet.

Zudem müssen bei beiden Medikamenten mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten beachtet werden.

Everolimus
Die häufigsten Nebenwirkungen von Everolimus sind Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis), Hautausschläge und Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfall. Aufgrund der immunhemmenden Wirkung muss von einer erhöhten Infektanfälligkeit ausgegangen werden. Selten kommt es zu einer nicht erregerbedingten Lungenentzündung, der sogenannten Pneumonitis. Unter Everolimuseinnahme können die Blutfette und Blutzuckerwerte ansteigen.   Es kann eine Anämie, Thrombozytopenie und Leukozytopenie auftreten.

Sunitinib
Auch hier treten am häufigsten Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit und Durchfall auf. Es kann zu allgemeiner Abgeschlagenheit kommen. Typisch ist das Auftreten von Haarverfärbungen. Auch Hautveränderungen sowie das Hand-Fuß-Syndrom sind nicht selten. Häufig tritt ein Bluthochdruck auf, der eine antihypertensive Behandlung erforderlich macht. Es kann eine Neutropenie und Thrombozytopenie auftreten. Selten ist das Auftreten einer Schilddrüsenunterfunktion.

Der Stellenwert verschiedener weiterer molekular zielgerichteter Substanzen in der Therapie von neuroendokrinen Tumoren wird derzeit in mehreren Phase 2 und Phase 3 Studien untersucht. Aktuelle Informationen zu diesen klinischen Studien finden sich im Klinischen Studienregister des U.S. National Institutes of Health (http://clinicaltrials.gov) und dem EU Clinical Trials Register (https://www.clinicaltrialsregister.eu).

C.J. Auernhammer (München), 2015