Therapien – Nachsorge
Da es wenige gezielte Untersuchungen zur Tumornachsorge bei Patienten mit Neuroendokrinen Neoplasien gibt, ist nicht erwiesen, dass sich die Gesamtprognose durch eine strukturierte Nachsorge verbessert. Dennoch wird auch von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumore, ENETS, für die meisten Patienten eine Nachsorge empfohlen.
Lediglich für Patienten, die einen vollständig entfernten gut differenzierten Tumor G1 mit sehr geringem Malignitätspotential (Einstufung als benigne in der alten Klassifikation) hatten, besteht keine Empfehlung zur Tumornachsorge. Hierzu gehört das operierte Insulinom, der endoskopisch vollständig abgetragene, kleine (≤ 1cm) neuroendokrine Tumor des Rektum und der neuroendokrine Tumor der Appendix (Appendixkarzinoid) <2cm ohne Malignitätskriterien.
Auch die kleinen (≤1cm) Magen-NET Typ I im Rahmen der chronisch atrophischen Gastritis weisen ein sehr geringes Malignitätspotential auf. Da die Grunderkrankung jedoch mit einer ECL-Zell-Hyperplasie und rezidivierenden kleinen Typ I NET ebenso wie mit leicht erhöhtem Risiko für das Adenokarzinom des Magens assoziiert ist, sollten jährliche Kontrollgastroskopien erfolgen.
Bei Patienten mit erhöhtem Rezidiv- bzw. Metastasierungsrisiko (z.B. Tumoren, die bei der Erstbehandlung eine Lymphknotenmetastasierung aufwiesen), sollte eine strukturierte Nachsorge angeboten werden. Dabei hängt die Art der Diagnostik, deren Frequenz und Dauer von der Primärtumorlokalisation, der Tumordifferenzierung, dem Somatostatinrezeptorstatus aber auch dem Alter und Wunsch des Patienten ab.
Bei Patienten mit schlecht-differenzierten neuroendokrinen Karzinomen wird eine Nachsorge in dreimonatigen Intervallen empfohlen. Wichtigster Bestandteil der Nachsorge ist die Bildgebung in Form von Ultraschall, Computertomographie (CT) oder Kernspintomographie (MRT). Der Wert einer Bestimmung von Tumormarkern bei negativer Bildgebung ist umstritten. Im Falle der neuroendokrinen Karzinome kann die Neuronenspezifische Enolase (NSE) als Marker bestimmt werden, falls dieser bei Erstdiagnose erhöht war. Häufig sind neuroendokrine Karzinome nicht Somatostatinrezeptor-positiv, so dass eine entsprechende Diagnostik in Form einer Somatostatinrezeptorszintigraphie oder eines spez. 68-Ga- DOTATOC-PET-CTs (siehe auch nuklearmedizinische Diagnostik) in diesem Fall verzichtbar ist. Eine geeignete Ganzkörperdiagnostik stellt die FDG-PET-Untersuchung dar, wobei diese in der Indikation Neuroendokrines Karzinom keine Kassenleistung ist. Die Dauer der Nachsorge kann auf 5 Jahre begrenzt werden.
Bei Patienten mit gut-differenzierten Tumoren wird ein größeres Kontrollintervall von 6 (bis 12) Monaten empfohlen. Da es zu späten Rezidiven kommen kann, sollte die Gesamtdauer der Nachsorge mindestens 10 Jahre betragen, bei den Dünndarmtumoren werden in den ENETS-Leitlinien sogar lebenslange Nachuntersuchungen empfohlen. Auch hier stellt die Bildgebung in Form von Ultraschall, CT oder MRT die Basis da, wobei aus strahlenhygienischen Gründen bei langfristig notwendigen Untersuchungen der Ultraschall oder das MRT bevorzugt werden sollten.
Da die große Mehrzahl der gut-differenzierten Neuroendokrinen Tumore Somatostatinrezeptor-positiv sind, empfiehlt sich in diesem Falle alle 1 bis 2 Jahre als ergänzende Ganzkörperuntersuchung die Somatostatinrezeptorszintigraphie oder wenn verfügbar die sensitivere 68-Ga-DOTATOC-PET-CT.
Als Tumormarker wird meist Chromogranin A bestimmt, wenngleich auch hier der Stellenwert in der Nachsorge umstritten ist.
Bei kolorektalen NET wird ergänzend eine Nachsorgekoloskopie nach einem Jahr und dann in größeren Intervallen wie bei Z.n. Adenomabtragung empfohlen.
Für Patienten mit Neuroendokrinen Tumoren in Rahmen genetischer Syndrome wie der Multiplen Endokrinen Neoplasie Typ I (MEN-I) gelten besondere Nachsorgeempfehlungen, die hier nicht näher ausgeführt werden.
Möglicherweise haben Patienten mit neuroendokrinen Tumoren ein erhöhtes Zweitmalignomrisiko, so dass allgemein die Wahrnehmung von Früherkennungsmaßnahmen wie der gynäkologischen bzw. urologischen Früherkennungsuntersuchung und der Vorsorgekoloskopie angeraten werden sollte.
A. Rinke (Marburg), 2015