Diagnostik – Pathologie und Klassifikation

Pathologie und Klassifikation

Neuroendokrine Neoplasien (NEN) sind eine sehr heterogene Tumorgruppe. Sie können in jedem Organ auftreten, am häufigsten jedoch in der Lunge und im gastro-entero-pankreatischen System (GEP). Um die Diagnostik und Klassifikation der GEP-NEN zu vereinheitlichen, wurden durch die European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS) in den letzten acht Jahren grundlegende Empfehlungen und Leitlinien erarbeitet. In 2009 erschien eine neue TNM Klassifikation für NEN des Verdauungstrakts durch die Union for International Cancer Control (UICC ). Gegen Ende 2010 wurde die Klassifikation der NEN durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) grundlegend überarbeitet. Die Inhalte der überarbeiteten Klassifikationen werden in der vorliegenden Übersicht kurz dargestellt.

Pathologische Basisdiagnostik

Allen neuroendokrinen Zellen gemeinsam ist das Vorkommen kleiner (synaptischer) und großer (neurosekretorischer) Vesikel, in denen Monoamine und/oder Peptidhormone gespeichert und stimulusabhängig freigesetzt werden.
Der Nachweis solcher neurosekretorischer Vesikel ist in Zusammenschau mit einer charakteristischen Morphologie diagnostisch für NEN.
Entsprechend den ENETS-Leitlinien und der WHO-Klassifikation wird für die Basisdiagnostik einer NEN neben der konventionellen Morphologie die immunhistochemische Analyse der neurosekretorischen Marker Chromogranin A (CgA) und Synaptophysin sowie des Proliferationsmarkers Ki67 (siehe unten) empfohlen.

Abb. 1: HE-Färbung (Hämatoxylin-Eosin-Färbung)

Abb. 2: Synaptophysin

Abb. 3: Chromogranin A

Optionale klinisch orientierte Diagnostik

Die von der ENETS als optional bezeichnete klinisch orientierte morphologische Diagnostik arbeitet auf das klinische Profil einer organspezifischen NET Entität hin.
Hierzu gehören insbesondere:

  1. Der Nachweis der Produktion von Hormonen oder biogenen Aminen zur klinischen und laborchemischen Verlaufskontrolle.
  2. Die immunhistochemische Analyse des Somatostatinrezeptors 2A (SSTR 2A) als Grundlage für die nuklearmedizinische Bildgebung und Therapie.
  3. Untersuchungen zur Identifizierung des Primärtumors bei Metastasen unklarer Herkunft.

Die sich hieraus ergebende histopathologische Diagnose einer spezifischen NET Entität und deren Somatostatin-Rezeptorstatus kann klinisch-bildgebend und laborchemisch unmittelbar überprüft und zeitnah in das klinische Management umgesetzt werden.

Proliferationsbasiertes Grading

Für die Risikostratifizierung und die Therapie der GEP-NEN ist die Analyse der Proliferation ein entscheidender Faktor. Die proliferative Aktivität einer GEP-NEN wird durch die Bestimmung des Ki-67/MIB-1 Index im Schnittpräparat ermittelt. Alternativ können Mitosen ausgezählt werden.
Unterschieden werden drei Gruppen:

  • G1 < 2%,
  • G2 3 – 20% und
  • G3 > 20%.

Die proliferative Aktivität von GEP-NEN hat in Zusammenschau mit den klinisch-bildgebenden Befunden unmittelbare therapeutische Konsequenzen, da sich die nuklearmedizinische Bildgebung und die Therapieschemata an ihrer proliferativen Aktivität und der Differenzierung orientieren.

Abb. 4: MIB1 5 – 10%

Klassifikation nach WHO 2010

Die WHO Klassifikation 2010 geht – im Gegensatz zur alten WHO Klassifikation 2000 und 2004 – von der Annahme aus, dass alle NEN potentiell maligne sind, sich jedoch hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit zu metastasieren unterscheiden.
Ein wesentlicher Grundbaustein ist das proliferationsbasierte Grading. Nach WHO werden NEN unterteilt in:

  1. Hoch differenzierte neuroendokrine Tumore (NET, G1 oder G2)
  2. Gering differenzierte (klein- oder großzellige) neuroendokrine Karzinome (NEC, G3)
  3. Gemischte Adeno-neuroendokrine Neoplasien

Auf Grundlage der seit 2010 etablierten WHO Klassifikation wurde eine weitere klinisch besonders relevante Gruppe identifiziert. Es handelt sich um proliferationsaktive hoch differenzierte neuroendokrine Tumoren (NET, G3).
Zusätzlich konnten in den letzten Jahren Vorläuferläsionen von GEP-NEN morphologisch und molekular charakterisiert werden, welche nach der neuen WHO als hyperplastische und präneoplastische Läsionen bezeichnet werden.

TNM-Stadieneinteilung

Die seit 2009 gültige TNM-Stadieneinteilung der UICC für GEP-NEN ermöglicht eine standardisierte onkologisch orientierte Diagnostik von NEN in den unterschiedlichen Abschnitten des Verdauungstraktes und erlaubt eine detaillierte Prognoseabschätzung.
Sie ist Grundlage für eine stadienadaptierte onkologische Therapie, die jeder Behandlung von NEN heutzutage zugrunde liegen sollte und auch zur Durchführung von Studien an größeren Tumorkollektiven notwendig ist.

M. Anlauf (Limburg), 2015