Therapien – Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT)
Die rezeptorvermittelte Peptid-Radionuklid-Therapie (PRRT) ist ein seit einigen Jahren eingesetztes nuklearmedizinisches Therapieverfahren für Patienten mit inoperablen oder metastasierten NET. Sie basiert auf dem Einsatz spezifischer gegen SSTR gerichteter Radiopeptide, wie sie aus der nuklearmedizinischen Bildgebung bekannt sind. Durch den Austausch der diagnostischen Gamma- bzw. Positronen-Strahler gegen therapeutisch wirksame Beta-Strahler ist eine selektive interstitielle Strahlentherapie von SSTR positiven Tumoren möglich.
Die PRRT wird bei inoperablen, meist metastasierten NET eingesetzt, die unter Biotherapie progredient sind, die aber aufgrund des langsamen Wachstumsverhaltens (meist G1/2 Tumoren) einer Chemotherapie nicht zugänglich sind und bei denen eine kurative Tumorresektion oder andere lokal ablative Verfahren nicht möglich oder sinnvoll sind. Bei bildgebend nachgewiesener kräftiger SSTR Expression (s. Abbildung) sind auch Patienten mit stabilem Krankheitsbild aber therapierefraktärer klinischer Symptomatik für eine PRRT geeignet, da sich in etwa 80% der Fälle ein positiver Effekt auf die hormoninduzierte klinische Symptomatik erzielen lässt.
Abb. 1: Einteilung der SSTR Expression von NET mittels SSTR PET/CT (von Grad 1: keine SSTR Expression bis Grad IV: intensive SSTR Expression, jeweils gemessen an der Anreicherung in Normalgewebe). Als optimal für eine PRRT gelten die Grade 3 und 4. Bei Grad 1 ist eine PRRT nicht, bei Grad II nur bedingt als sinnvoll anzusehen. (Zum Vergrößern bitte klicken)
Die ersten Therapien wurden fast ausschließlich mit dem 90 Y-markierte Somatostatin- Analogon [90Y]DOTA-TOC durchgeführt . Yttrium-90 besitzt auf Grund der hohen ß-Energie (2,27 MeV) eine relativ hohe Reichweite im Gewebe (maximal bis ca. 11 mm).
Im Jahr 2003 wurden die ersten größeren Fallserien zu einem 177 Lu-markierten Peptid ([ 177 Lu]DOTA-TATE ) publiziert. Lutetium-177 besitzt im Vergleich zu Yttrium-90 eine niedrigere β-Energie (496 keV) und damit auch eine geringe max. Reichweite von nur etwa 1,6 mm im Gewebe, wodurch die unerwünschte Strahlenexposition der Nieren im Vergleich zu Yttrium-90 verringert werden kann . Lutetium-177 besitzt zudem einen γ-Strahlenanteil, der direkt im Anschluss an die Therapie eine szintigraphische Erfassung der Verteilung im Körper und damit eine Dosimetrie während der Behandlung ermöglicht.
Die objektiven Ansprechraten liegen je nach Studie zwischen 25 und 40% und damit in einem ähnlichen Bereich wie für den Yttrium-90 markierten Liganden, weshalb heute- aufgrund der geringeren Toxizität – fast ausschließlich Lu-177-markierte Peptide zur Anwendung kommen.
Daten der Rotterdamer Arbeitsgruppe zeigen eine mediane Zeit bis zum erneuten Progress von 40 Monaten bei einem medianen Gesamtüberleben von 46 Monaten nach PRRT bzw. 128 Monaten nach Diagnosestellung. Höhere Remissionsraten werden in der Regel bei hohem SSTR Besatz und bei geringer Tumorlast in der Leber erzielt, während ein niedriger Karnofsky-Index, sehr ausgedehnte Tumormanifestationen und ein Gewichtsverlust vor der Behandlung als ungünstige prognostische Faktoren hinsichtlich des Ansprechens auf die Therapie gelten.
Im Allgemeinen kann die PRRT mit Somatostatinanaloga als gut verträgliche und sichere Behandlung angesehen werden. Nebenwirkungen sind bei sorgfältiger Patientenselektion selten. Akute Nebenwirkungen direkt nach Injektion des Radiopeptids oder bis einige Tage danach umfassen Nausea, Erbrechen sowie vermehrte Schmerzen im Bereich der Tumormanifestationen.
Auch kann es in Einzelfällen durch den Zellzerfall zu einer vermehrten Hormonfreisetzung mit Verschlechterung der funktionellen Symptomatik bis hin zur Hormon-Krise kommen.
Diese Nebenwirkungen können bei allen beschriebenen Peptiden und Radionukliden auftreten und lassen sich symptomatisch behandeln. Im mittel- bis längerfristigen Verlauf kann es selten zu schwereren Toxizitäten als Folge der absorbierten Strahlendosis in gesundem Gewebe kommen.
Die gefährdeten Organe sind in erster Linie die Nieren und das Knochenmark. Ein Teil der konjugierten Peptide, die vorwiegend über die Nieren ausgeschieden werden, wird tubulär wieder aufgenommen, was zu einer signifikanten Strahlendosis der Nieren führt. Mittlerweile konnte aber gezeigt werden, dass die gleichzeitige Infusion von Aminosäuren, vor allem Lysin und Arginin, zu einer signifikanten Reduktion des Nieren-Uptakes führt.
Trotz des nunmehr generell begleitenden Einsatzes von Aminosäuren während der PRRT zeigen die meisten Studien mit 90 Y-markierten Peptiden vereinzelt Nierenschädigungen. Hämatologische Toxizität nach PRRT ist häufig, aber meistens mild und vollständig reversibel. Sehr selten (<1%) sind schwerwiegende Krankheiten des Knochenmarkes wie ein Myelodysplastisches Syndrom beschrieben worden.
Als Kontraindikation für eine PRRT gelten rasch proliferative Tumoren, eine stabile Tumorerkrankung über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten mit durch Biotherapie beherrschbarer Symptomatik, eine Einschränkung von Blutbild oder Nierenfunktion oder auch eine deutliche Einschränkung des Allgemeinzustandes.
Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Die neuroendokrinen Neoplasien der Bauchspeicheldrüse werden nach ihren klinisch bedeutendsten hormonellen Befunden in funktionell aktive Insulinome, Gastrinome, Glukagonome, Vipome etc. und die funktionell inaktiven NEN eingeteilt. Die Prognose der Tumoren ist dabei von der Größe, der Ki-67 Rate, der Metastasierung und dem Alter der Patienten abhängig, welches somit auch immer bei der Beurteilung der Operationsindikation mit betrachtet wird.
Eine Ausnahme stellen die Insulinome dar, die meist (>85%) gutartig sind und aufgrund der biochemischen Bedeutung des Insulins schon oft als kleine Tumoren klinisch auffällig werden. Hier können bei Tumoren bis 2 cm lokale Tumorentfernung und umschriebene Resektionen der Bauchspeicheldrüse angestrebt werden. Ausgeschlossen werden sollte jedoch eine familiäre Erkrankung des MEN-1 und eine Erkrankung größerer Teile oder des gesamten Inselzellapparats (Insulinomatose, Nesidioblastose), die früher nur bei Kindern diagnostiziert wurden und im Erwachsenenalter teilweise zu frühen Rezidiven der Erkrankung führten. Besonderes Wissen um diese Erkrankung sollte deshalb vorausgesetzt werden.
Alle anderen NEN des Pankreas werden in Abhängigkeit von der Größe und Lage des Tumors, möglicher Lymphknoten und Fernmetastasen und des Allgemeinzustandes der Patienten mittels Tumor- und Teilresektion des Pankreas einschließlich ausgedehnter Lymphknotendissektion und gegebenenfalls synchroner oder metachroner Lebermetastasen-Entfernung behandelt. Inwieweit die Entfernung des Primärtumors bei eingetretener und nicht vollständig entfernbarer Fernmetastasierung sinnvoll ist, kann nur im Einzelfall anhand der biochemischen Aktivität, möglicher zusätzlicher lokaler Komplikationen und dem Alter sowie Allgemeinzustand des Patienten entschieden werden.
Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) mit 90 Y-markierten Mikrosphären
Weitere Informationen hierzu finden Sie im Abschnitt „Lokal ablative Therapie“.
G. Pöpperl (Stuttgart), 2015