Therapien -Lokale interventionelle Therapieverfahren

Lokale interventionelle Therapie von neuroendokrinen Neoplasien

Neuroendokrine Neoplasien sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung oft bereits in die Leber metastasiert. Das Ausmaß der Lebermetastasierung bedingt in vielen Fällen die Prognose und Lebensqualität der Patienten. Lokal ablative Therapien haben das Ziel einer Zerstörung von Tumorgewebe in der Leber. Im besten Fall führt dies zu einer kompletten Zerstörung der vorhandenen Metastasen. Oft kann auch eine Verlangsamung des Tumorwachstums mit einer verbesserten Prognose und Lebensqualität erreicht werden.

Zurzeit eingesetzte lokale Therapieverfahren

Insbesondere bei isoliertem Befall der Leber stellen lokalablative und lokoregionäre Therapieverfahren ein sinnvolles Konzept zur Verbesserung der Prognose und Lebensqualität dar. Neben den lokalablativen thermischen Verfahren, wie der Kryotherapie (KRYO), Radiofrequenz­thermoablation (RFTA), der Laserinduzierten interstitiellen Thermoablation (LITT) und lokalablativer chemischer Verfahren wie der Ethanolinjektion (PEI) oder Essigsäureinjektion (PAI) hat die transarterielle Chemoembolisation (TACE) als lokoregionäres Therapieverfahren eine dominante Stellung unter den leberspezifischen Therapieverfahren. In jüngerer Zeit wird sie durch ein weiteres Embolisationsverfahren, die selektive interne Strahlentherapie (SIRT) ergänzt. Weiterhin besteht die Möglichkeit durch eine Pfortaderembolisation (PFE oder PVE) Patienten zu einer erweiterten Leberresektion (Trisektorektomie) zu konditionieren und eine kurative Resektion zu erreichen.

Abb. 1: CT-gesteuerte Platzierung von 4 Applikatoren in einer Sacrum-Filia vor Thermoablation untere Reihe Lage der Applikatoren im Tumor, deutlich erkennbar die Isolatoren der bipolaren Sonden als schmaler (dunkler) Ring.

Thermische Therapieverfahren (KRYO, LITT, RFTA)

Das am häufigsten eingesetzte   thermische Therapieverfahren ist die RFTA, die derzeit hauptsächlich von interventionellen Radiologen, aber zunehmend auch von Chirurgen und z. T. auch Gastroenterologen und Pneumologen eingesetzt werden.
Die RFTA zerstört Gewebe durch Aufwärmung auf Temperaturen zwischen 60 – 100°C. Problematisch können der Zielregion eng anliegende große Gefäße sein. Hier ist ein Kühleffekt durch den Blutfluss zu erwarten, der das Risiko einen vitalen Tumorrest am Ende der Intervention zu erhalten, erhöht. Zudem ist das Rezidivrisiko bei Läsionsgrößen über 5cm erhöht.

Embolisationsverfahren (TACE, SIRT, PFE)

Die Embolisationsverfahren dominieren heute die lokal ablativen Behandlungsstrategien bei NET, da infolge der Tumorgröße oder auch der Zahl der Herde thermische Verfahren oft nicht mehr zur Anwendung kommen können.

Transarterielle Chemoembolisation (TACE)

Die (TACE) wird neben rein palliativen Ansätzen heute vermehrt auch im Rahmen neuer multimodaler Therapiekonzepte zur Tumormassenreduktion mit dem Ziel eines „downsizings“ und einer sekundär erreichbaren Resektabilität sowie zur lokalen Tumorkontrolle als „ bridging “ vor einer geplanten Transplantation eingesetzt. Auch im Fall eines „hyperfunktionellen Syndroms“ durch hormonproduzierende Tumore ist die TACE ein guter Therapieansatz, da nicht nur der Tumor selbst angegriffen, sondern auch die Perfusion der Tumorstrombahn ausgeschaltet und somit die hormonelle Ausschwemmung rasch unterbunden wird.

Prinzip der TACE
Die TACE baut auf der unterschiedlichen Gefäßversorgung von Lebertumoren und gesundem Leberparenchym auf. Während je nach Tumortyp Raumforderungen der Leber bis zu 95 % arteriell versorgt sind, wird das normale Leberparenchym nur zu ca. 25% aus der arteriellen Strombahn ernährt. Daher wird bei der Embolisation des arteriellen Systems das normale, über die portalvenöse Strombahn versorgte   Leberparenchym weitgehend geschont, während im Tumorgewebe ischämische Nekrosen verursacht werden. Die Embolisation der tumorversorgenden Gefäße wird mit der lokalen superselektiven Applikation von Zytostatika kombiniert.

Indikation/Kontraindikation der TACE
Eine TACE ist insbesondere bei leberdominanter Erkrankung und bei solchen Tumoren sinnvoll, die eine Hypervaskularisation erkennen lassen.

Kontraindikationen zur TACE sind ein Tumorbefall von > 75% der Leber, ein schlechter Allgemeinzustand (Karnofsky-Index < 50%) und eine höhergradig eingeschränkte Leberfunktion (Quick < 40%, PTT > 45s, Albumin <2g/dl) sowie eine Obstruktion der Gallenwege (Bilirubin >3 mg/dl), ein Pfortaderverschluss, floride Infektion, deutliche Blutbildveränderungen oder ausgeprägter Aszites. Eine weitere, relative Kontraindikation stellen biliodigestive Anastomosen dar, insbesondere, wenn von einer bakteriellen Besiedlung der Gallenwege auszugehen ist. Zurzeit stehen grundsätzlich zwei Ansätze der TACE zur Verfügung:

  • a) Klassische TACE mit Suspensionen aus Zytostatika und Embolisationsmedien.
    Der Verschluss der Tumorstrombahn kann prinzipiell durch Mikrosphären, Lipiodol, Polivinylakohol (PVA) oder Gelfoam erfolgen. Als Zytostatika finden Doxorubicin,   Mitomycin, Cisplatin, 5-Fluorodeoxyuridin, 5-Fluorouracil, Dacarbazin, Streptozotocin in unterschiedlichen Kombinationen und im Gemisch mit verschiedenen Embolisations­medien Verwendung.
  • b) DC-Bead-TACE.
    Im Jahr 2005 wurde diese Form der superselektiven TACE eingeführt. Hier fungieren Mikrosphären, an deren Oberfläche hochlösliches Doxorubicin adsorbiert wird als Embolisationsmedium. Im Tumor wird das Zytostatikum über einen Zeitraum von 14 Tagen gegen Wasser ausgetauscht und protrahiert freigesetzt. Das Verfahren ist im Vergleich zur klassischen TACE (a) vermutlich wirksamer, da die Mikrospären im Austausch gegen das Zytostatikum Wasser aufnehmen, weiter quellen und die Strombahn final verschließen, aber auch kostenintensiver.

Eine Kontrolle des Therapieerfolges und der Embolisatverteilung sollte nach 4- 6 Wochen im CT-Abdomen erfolgen. Da Lipiodol sich bereits nativ hyperdens im CT darstellt, kann die Absättigung der Raumforderung und eine evtl. Verschleppung des Embolisates leicht beurteilt werden. In Abhängigkeit vom Verlauf sind wiederholte Embolisationen möglich.

Abb. 2: Vollständige TACE mit DC-Beads + Doxorubicin und zusätzlicher Auffüllung der Tumorstrombahn mit Lipiodol bei hormonaktivem NET mit konsekutiver mass. Hyperkalzämie.

Abb. 3: Intraoperativer Situs des Falles aus Abb. 2 – erkennbar ist der vollst. embolisierte Tumor und der tumorfreie Resektionsrand

Abb. 4: Superselektive TACE in mehreren Sitzungen bei multilokulärem Befall der Leber mit Filiae eines NET. Angiographie und CT-Befund. Superselektive Angiographie der Einzelherde, in der unteren Reihe 2. Bild v. li: Befund nach der 2. Sitzung: ein Großteil der Herde ist bereits embolisert (erkennbar als helle, kreisförmige Aussparungen), das Leberparenchym ist weiter kontrastiert. CT obere Reihe vor Embolisation; CT untere Reihe 14 Tage nach TACE.

Selektive interne Strahlentherapie (SIRT)

Prinzip der SIRT
Ziel der selektiven internen Strahlentherapie (SIRT) ist eine hohe Strahlendosis in das Tumorgewebe einzubringen und das umgebende Gewebe nur gering gegenüber der Strahlung zu exponieren. Dazu werden Strahler kurzer Reichweite, z. B. 90 Y (ß-Strahler) an ein geeignetes Trägermedium (Glas- oder Harzmikrosphären) gebunden.
Analog zum Vorgehen bei der TACE werden die Mikrosphären nach Katheterisierung der tumortragenden Gefäßprovinzen langsam mit dem arteriellen Blutstrom eingewaschen. Der Führungskatheter wird in der Hauptstrombahn der tumortragenden Leberseite (rechte oder linke Leberhälfte) platziert und das Embolisat langsam und fraktioniert eingewaschen.

Bei der SIRT folgen die sehr kleinen Mikrosphären (30 – 100 µm) dem Blutfluss und reichern sich vor allem in der hypervaskularisierten Tumorstrombahn stark an. Am Ende des Eingriffs ist hier neben der Devaskularisation der Tumorstrombahn eine starke Strahlenleistung im Zielvolumen erreicht. Der eigentlichen SIRT vorausgehend muss ein Coiling der A. gastroduodenalis und ggf. auch der A.cystica erfolgen, um eine Fehlverteilung des Embolisates mit nachfolgenden schweren Ulzerationen/Gewebenekrosen auszuschließen.
Ebenso ist ein vorausgehender Technetium-Test zur Shuntvolumenbestimmung eine unbedingte Voraussetzung, da ein Shuntvolumen zur Lunge von > 20% eine SIRT ausschließt.

Indikation/Kontraindikation/Risiken der SIRT
Die SIRT ist gut zur Behandlung eines multilokulären Befalls der Leber geeignet, da im Vergleich zur TACE eine „flächendeckende“ Applikation des Therapeutikums möglich ist.
Voraussetzung ist eine Hypervaskularisation der Tumore. Hauptrisiko der SIRT ist die Strahlenhepatitis, u.U. gefolgt von einem konsekutivem Leberversagen. Das Risiko ist insbesondere bei einem erhöhten Bilirubinspiegel/Galleabflussstörungen gesteigert, sodass ein Gesamt-Bilirubinspiegel von > 2 mg/dl als absolute Kontraindikation anzusehen ist. Ebenso ist die Indikation bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion kritisch zusehen.

Analog zur TACE ist bei vorbestehenden biliodigestiven Anastomosen die Indikation sehr streng zu stellen, da im Falle einer bakteriellen Besiedlung der Gallenwege von einem erhöhten postinterventionellen Abszessrisiko auszugehen ist.

Abb. 5: Isodosenverteilung bei der SIRT im Zielvolumen.

Abb. 6: Verlauf vor und 15 Monate nach SIRT bei mult. Filiae eines NET mit Vollremission der Befunde

Abb. 7: Pfortaderembolisation: Durchführung mit zentralem Coiling und nachfolgendem Verschluß der Pfortaderäste mit Histoacryl/Lipiodol

TACE/SIRT/RFTA – wann welches Verfahren?

Die Stärke der Mikrosphären-basierten (DC-Bead)TACE liegt in der Möglichkeit bei superselektiver Anwendung sowohl hypervaskularisierte, als auch schwach vaskularisierte Metastasen der Leber zu behandeln.
Ist eine superselektives Vorgehen nicht möglich, kann trotzdem eine „klassische“ TACE durchgeführt werden.
Liegt ein multilokulärer Befall der Leber mit hypervaskularisierten Tumoren vor, ist die SIRT eine gute Behandlungsalternative.

Sollen Einzelherde der Leber behandelt werden (max. 5 Herde mit einem maximalen Tumordurchmesser von 5 cm, „5er-Regel“) ist die RFTA perkutan oder wenn nicht möglich offen-chirurgisch oder laparoskopisch vorzuziehen. Oftmals lohnt auch die Kombination embolisierender Verfahren mit anderen lokal-ablativen Methoden oder systemischen Behandlungsansätzen.
Welcher uni- oder multimodaler Therapieansatz gewählt wird, sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz entschieden werden.

Klinischer Nutzen

Neben einer lokalen Tumorkontrolle ist bei einem Teil der Patienten auch eine Besserung der B-Symptomatik während der Therapie zu verzeichnen. Insbesondere kommt es zu einer Stabilisierung des Körpergewichtes und der Belastbarkeit.
Darüber hinaus bietet die lokal ablative Therapie einen guten Ansatz in der Therapie von Patienten mit sonst schwer therapierbaren Kapseldehnungsschmerzen bei randständigen Lebermetastasen.

Schlussfolgerungen

Mit der lokalen ablativen Therapie stehen hocheffektive Verfahren zur Tumorkontrolle und Tumormassenreduktion zur Verfügung, die aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren Invasivität und geringeren Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens gut für die palliative Behandlung von NET-Patienten geeignet sind.
Darüber hinaus sind sie ein wertvoller Bestandteil multimodaler, kurativer Therapieansätze in Kombination mit anderen systemischen und chirurgischen Therapien.

Die Entscheidung über ihren Einsatz sollte gerade auch aufgrund ihrer Einbindung in multimodale Therapiekonzepte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz zwischen Radiologen, Chirurgen, Onkologen, Gastroenterologen und Nuklearmedizinern getroffen werden.

Abb. 8: CT vor- und 4 Wochen nach Pfortaderembolisation und Trisektorektomie. Deutliche Hypertrophie des verbliebenen Segmentes 2/3.

D. Hörsch, A. Petrovitch, T. Gotthardt, P. Grau (Bad Berka), 2015